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Zu Besuch bei Katharina im InfoPoint Altenahr: Ein Job zwischen Bürokratie, Mitgefühl und Reflexion
An einem sonnigen Nachmittag besuchen wir Katharina in Altenahr. Der Container des InfoPoints steht auf einem Parkplatz. Dahinter, auf der anderen Straßenseite, fließt direkt die Ahr. Hier ist Katharinas Arbeitsplatz. Sie ist bereits seit September 2021 beim Helfer-Stab und ist eine der „Ur-InfoPointlerinnen“, wie sie sich selbst nennt. InfoPoints dienen als Anlaufstelle für Anwohner, um Informationen und auch Unterstützung zu erhalten, vor allem bei Fragen rund um die finanzielle Wiederaufbauhilfe. Doch im Laufe des Gesprächs mit Katharina wird immer klarer: Was zunächst nach einem Job zwischen Bürokratie und Antragsstellung klingt, ist viel mehr als das.
Doch beginnen wir beim Anfang. Katharina kommt aus Schuld. Dort wohnt sie schon ihr ganzes Leben. „Schuld ist meine Heimat. Meine ganze Familie kommt hierher. Natürlich ist es mein Ziel, mein zu Hause wieder aufzubauen.“ Als sich nach der Flut die Wassermassen langsam zurückziehen, geht Katharina runter ins Dorf. Dort erkennt sie nichts mehr wieder. Sie hilft, die ersten Häuser von Schlamm zu befreien, doch schnell wird ihr klar: Hier sind schon genug Helfende. Sie sucht Kontakt zur freiwilligen Feuerwehr und fragt, wo sie am besten helfen kann. So erfährt Katharina von WhatsApp Gruppen, die zur Fluthilfe ins Leben gerufen wurden. Sie willigt ein, diese zu moderieren.
Durch dieses Netzwerk bekommt sie mehr und mehr einen Überblick über das Geschehen. Sie erfährt, dass in Bad Neuenahr Anlaufstellen für Bürger errichtet worden sind. Sie fragt an, wieso dies nicht auch in den anderen Verbandsgemeinden geschehe. Ihre Frage stößt auf Resonanz. Kurz darauf gründet sie mit anderen Anwohnern das provisorische Bürgerbüro Schuld in einem Zelt direkt im Ort. Hier versucht Katharina Anlaufstelle für alle Anwohner zu sein. Doch an viele Details aus dieser Anfangszeit erinnert sie sich nicht. „So viele Eindrücke sind auf mich eingeströmt, dass diese Zeit rückblickend sehr verschwommen auf mich wirkt.“
Katharina pausiert ihr Studium, weil sie merkt, wie wichtig ihre ehrenamtliche Arbeit vor Ort ist. Im September 2021 bekommt sie die Möglichkeit, im neu eröffneten InfoPoint in Schuld anzufangen. So kommt Sie zum Helfer-Stab. Aus der ehrenamtlichen Tätigkeit wird schnell eine Anstellung. „Wo ist der nächste Hausarzt? Wie funktioniert das zurzeit mit der Müllabfuhr? Wo finde ich Handwerker? In der Anfangszeit nach der Flut haben wir uns zunächst um Fragen des Alltags gekümmert. Ich habe versucht, mir so viel Wissen wie möglich anzueignen, um diese ganzen Infos dann herausgeben zu können.“, erinnert sie sich.
Als dann die Wiederaufbauhilfen kommen, bekommen alle InfoPointler Schulungen der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) zu den Antragsstellungen. „Ab diesem Zeitpunkt habe ich die meiste Zeit damit verbracht, Betroffenen beim Ausfüllen der Anträge zu helfen. Diese Arbeit war sehr wichtig. Es ging nicht nur um Fragen und Unklarheiten zum Antrag. Ältere Menschen hatten teilweise gar keinen Zugang zum Internet. Da war es wichtig zu sagen: Wir sind für euch da und begleiten euch!“ Irgendwann wurde das Arbeitspensum so hoch, dass noch eine zweite Person angestellt wurde – Katharinas Zwillingsschwester. Von da an arbeiten beide zusammen im InfoPoint Schuld. „Doch nicht nur das Arbeitspensum ist gewachsen, sondern auch ich als Person. Ich habe mir viele Kenntnisse angeeignet und das erste Mal tagtäglich mit Menschen zusammengearbeitet. Vorher kannte ich nur das Uni-Leben. Doch die Arbeit mit Menschen gibt mir wirklich viel.“
Anfang 2023 wechselt Katharina den InfoPoint Standort und ist seitdem in Altenahr. „Das war dann nochmal eine große Umstellung für mich. Anders als in Schuld bin ich in Altenahr mit mehr Betroffenen in Kontakt gekommen, die in der Flut Angehörige verloren haben. Da muss man besonders einfühlsam sein, sich Zeit nehmen, zuzuhören und auch mal sagen: Es ist okay zu weinen. Das hier ist ein geschützter Raum.“ Viele Betroffene kommen im Laufe der Zeit immer wieder in den InfoPoint, weil sie weitere Fragen haben oder die Antragsstellung langwierig ist. Hier finden Sie Katharina als zuverlässige Ansprechpartnerin.
„Man hört viele Geschichten, die einem unter die Haut gehen.“, erzählt Katharina. Sie tauscht sich deshalb immer wieder mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus und findet Zeit für Gespräche. Wenn Katharina Feierabend hat, versucht sie die Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen. „Es ist wie ein Koffer, den du abends packst und dann vor der Tür stehen lässt.“ Doch die ganze Dankbarkeit, die Katharina entgegenkommt, lässt sie immer weiter machen. Auch jetzt, 2 ½ Jahre nach der Flut, ist die Arbeit im InfoPoint noch relevant. „Viele Betroffene waren oder sind noch immer traumatisiert. Deswegen kümmern sie sich erst jetzt um finanzielle Hilfen. Die Fälle, die wir jetzt bearbeiten, sind komplex und verlangen viele Rückfragen, viel Bürokratie und leider auch lange Wartezeiten.“
Hinter dem Konzept InfoPoint steckt viel mehr als nur die Hilfe bei der ISB-Antragsstellung. Viele Betroffene möchten reden und ihre Geschichte teilen. Und Katharina nimmt sich diese Zeit. „Wir sind keine reine Anlaufstelle für Antragsstellungen: Wir sind Orientierungshilfe, Kummerkasten, Reflexionsboard. Im Papierberg der Bürokratie kann man leicht die Orientierung verlieren. Ich versuche immer, Perspektive zu schaffen. Auch wenn der Weg noch nicht geschafft ist, möchte ich aufzeigen, welche Erfolge schon erzielt wurden und welche Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft wurden.“ . |